Ein Musikfestival in Gent hat die Münchner Philharmoniker mit Dirigent Lahav Shani ausgeladen – ein schwerer Fehler. Ein Kommentar von Axel Brüggemann.
English summary: The Flanders Festival Ghent canceled a concert with the Munich Philharmonic and conductor Lahav Shani, citing his unclear stance toward Israel’s government. This decision is seen as unjust and antisemitic, since Shani, born in Tel Aviv, has consistently advocated peace, dialogue, and reconciliation. Critics argue the festival caved to extremist pressure, betraying core European democratic and cultural values.
Die Münchner Philharmoniker sind gemeinsam mit ihrem designierten Chefdirigenten Lahav Shani vom Flanders Festival Ghent in Belgien ausgeladen worden. Als Grund führen die Veranstalter an, dass Shani, der in Tel Aviv geboren wurde und Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra ist, in seiner Haltung gegenüber der israelischen Regierung nicht eindeutig sei. Das Konzert am 18. September in der Kathedrale St. Bavo wurde abgesagt.
Was für ein Fehler! Ausgerechnet Lahav Shani. Der Dirigent hat sich in den letzten Monaten immer wieder klar zum Gaza-Konflikt geäußert. Er hat sich regelmäßig für Versöhnung und Frieden positioniert und immer wieder betont, dass trotz der schwierigen politischen Lage im Nahostkonflikt eine Lösung möglich sei. Musik ist für ihn eine Möglichkeit des Dialogs.
Shani steht für Versöhnung
Bereits im August 2024 hob er hervor, wie außergewöhnlich es sei, heute als israelischer Jude und Staatsbürger Chefdirigent eines so bedeutenden europäischen Orchesters wie den Münchner Philharmonikern zu sein. Er sehe in der Musik einen Raum, in dem Freundschaft und Frieden zunächst und grundsätzlich möglich seien, auch wenn schwierige Fragen, wie etwa die zum Israel-Gaza-Krieg, offen blieben. Weiter zeigt Shani sich immer als engagierter Friedensaktivist, der für humanitäre Werte und den Dialog zwischen den Konfliktparteien eintritt, unter anderem mit der klaren Unterstützung für die Geiseln der Hamas.
Um so absurder mutet nun die Begründung des Festivals an. Unter anderem heißt es: »Im Einklang mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und des lokalen Kultursektors haben wir uns entschlossen, auf die Zusammenarbeit mit Partnern zu verzichten, die sich nicht eindeutig von dem Regime in Tel Aviv distanziert haben. Emotional aufgeladene Reaktionen könnten das Konzerterlebnis beeinflussen.«
Die Absage ist Einknicken vor dem Terror
Mit anderen Worten: Die Veranstalter knicken vor gewaltbereiten Demonstranten ein, aus Angst um ihr Publikum. Sie canceln eine jüdischen Künstler, weil sie seine Sicherheit und die des Publikums nicht gewährleisten können. Das ist eine Bankrotterklärung vor dem Terror. Mit dieser Entscheidung gibt das Flanders Festival Ghent dem radikalen Protest nach und verrät die demokratische Grundordnung, auf der in Europa gerade die Kultur fußen muss! Die Argumentation ist um so absurder, da das Festival explizit darauf hinweist, dass Lahav Shani sich mehrfach für Frieden und Versöhnung ausgesprochen habe. Es gibt also keinen Grund für eine Ausladung. Sie ist grober Antisemitismus!
Lahav Shanis Vorgänger bei den Münchner Philharmonikern, Valery Gergiev, war eindeutiger Sympathisant der homophoben, imperialistischen und nationalistischen russischen Regierung von Vladimir Putin. Aber Shani ist als Künstler – und auch als Chef des Israel Philharmonic Orchestra – stets Freigeist und steht in keiner expliziten Verbindung zur israelischen Regierung und ihrem fatalen Handeln in Gaza. Es ist falsch, ihn (und sein Münchner Orchester) für den brutalen Krieg in Gaza und die dortige Hungerkatastrophe zur Verantwortung zu ziehen.
Shani selber sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung erst kürzlich: »Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird und wann die Gewalt aufhört. Ich weiß auch nicht, wann wir Waffenstillstand haben werden, wann die Geiseln zurückkommen und wann Gaza wieder aufgebaut wird. Alles, was ich weiß, ist, dass jedes getötete Leben eines zu viel ist. Und ich weiß und hoffe, dass auf beiden Seiten bald sehr mutige Menschen nach vorne kommen, Menschen, die in die weitere Zukunft denken und die schwierigen Schritte zum Frieden wagen. Ich weiß, dass es diese Menschen gibt. Ich sehe die junge Generation in Israel und ich weiß, solche Menschen existieren auch auf der palästinensischen Seite. Es muss und es wird Frieden geben, auch wenn es jetzt noch so schwer ist, sich das vorzustellen.«
Politischer Protest ist wichtig
Gut, dass wenigstens die Münchner Philharmoniker und die Landeshauptstadt München die Entscheidung scharf verurteilen und sie als Angriff auf europäische und demokratische Werte verstehen: »Lahav Shani tritt in seinem ganzen Wirken als Musiker und Mensch für Verständigung, Humanismus und Dialog ein. Israelische Künstlerinnen und Künstler unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv zu bestrafen, lehnen wir entschieden ab. Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit von der Bühne, dem Konzertsaal oder anderen öffentlichen Orten zu verbannen, ist ein Angriff auf wesentliche europäische und demokratische Werte.«
Intendant Florian Wiegand erklärte, er sei »fassungslos« über die Entscheidung. Kulturreferent Marek Wiechers hob Shanis integratives Wirken und seine Haltung für Menschlichkeit und Verständigung hervor. Oberbürgermeister Dieter Reiter äußerte: »Die Münchner Philharmoniker stehen als Kulturbotschafter der Stadt München für Offenheit, Vielfalt und Dialog – ganz egal ob zu Hause in München oder auf ihren Reisen in die Konzertsäle Europas und der Welt. Ich kann die Entscheidung des Veranstalters in keiner Weise nachvollziehen. Die Stadt München und ich persönlich stehen klar an der Seite der Münchner Philharmoniker und ihres künftigen Chefdirigenten Lahav Shani.«
Die Münchner Philharmoniker und ihr Chefdirigent verdienen uneingeschränkte Solidarität. Sie verkörpern genau das, was der Nahe Osten gerade am meisten braucht: Vermittlung, Mitgefühl, Friedenssehnsucht und kulturelle Vielfalt. Die Absage des Konzertes von Lahav Shani ist nichts anderes als offener Antisemitismus, den alle demokratischen Kräfte in Europa schärftens verurteilen sollten!

