Viel wird vom Bildungsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen geredet – aber an entscheidenden Punkten versagt der. Das zeigt ein Blick auf das Thema Advent. Da sieht es zappenduster aus. Eine Polemik von Guido Krawinkel
Vor einigen Jahren gastierte das offizielle Adventskonzert des Landes NRW in Bonn – für den lokalen Kulturschreiber ein Pflichttermin. Die Promidichte im damals frisch renovierten Bonner Münster verhieß Bedeutungsvolles: Ministerpräsident Hendrik Wüst war zugegen, ebenso der damalige WDR-Intendant Tom Burow. Heiner Lauterbach las Besinnliches, Susanne Wieseler moderierte.
Was Land und WDR dann aber unter dem Etikett »Advent« live in Radio und Fernsehen ausstrahlten, war nichts Anderes als ein pseudosakraler Einheitsbrei mit gefühlig-romantischer Weihnachtssoße. Adventliches kam da allerhöchstens in homöopathischen Dosen vor. Stattdessen hatte ein Großteil des Programms nicht das Geringste mit dem Thema Advent zu tun.
Advent ist nicht Weihnachten
Natürlich kann sich kurz vor Heiligabend schon mal hier und da die Weihnachtsvorfreude Bahn brechen. Im Bonner Münster tat sie das allerdings so ungehemmt, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, das fünfte Lichtlein würde schon brennen. Schlimmer noch: Auf ein Gloria von Vivaldi folge Panis angelicus von Franck, ein Ave Maria durfte natürlich auch nicht fehlen – alles schöne Musik, aber durchweg sakrale Allerweltskost, die mit Advent oder selbst mit Weihnachten nicht mal ansatzweise etwas zu tun hat. Und dann noch: White Christmas, Petersburger Schlittenfahrt, Schwanensee, Vivaldis Winter und Leise rieselt der Schnee – garniert mit betulichen Geschichten.
Im Hinblick auf besagten Bildungsauftrag war das im Grunde genommen eine Bankrotterklärung, ein Etikettenschwindel, denn von 18 musikalischen Beiträgen hatten genau drei (!) im wirklich engeren Sinne etwas mit dem Advent zu tun, eine klassische Mogelpackung also. An programmatischer Einfältigkeit war das zudem kaum zu überbieten. Oder vielleicht doch?
2025 kam das »Adventskonzert« aus Viersen-Dülken. »Wir wollen dem Advent heute Abend ganz, ganz viel Raum geben«, sagte Ministerpräsident Wüst in seiner Ansprache, doch das war im Grunde genommen gelogen. Live aus der Pfarrkirche St. Cornelius wurde wieder – garniert mit dem üblichen Promifaktor – haargenau der gleiche pseudoliturgische Einheitsbrei mit gefühlig-romantischer Weihnachtssoße übertragen, diesmal sogar noch weihnachtlicher. Denn der genuine Adventsanteil war nun auf sage und schreibe Null Prozent gesunken. Null!
Null Advent
Eine waschechte Nullnummer sozusagen, jedenfalls wenn man das selbstgestellte (!) Thema als programmatischen Maßstab nimmt. Bei den anderen Sendern sieht es – egal ob BR, NDR, MDR oder SWR, ob im Radio oder dem Fernsehen – nicht besser aus. Der Advent kommt im Programm im Grunde genommen nicht mehr vor – abgesehen vielleicht von einigen wenigen Spezialsendungen mit geistlicher Musik. Weihnachten hat übernommen. Denn was die Öffentlich-Rechtlichen als Advent verkaufen, also eine Zeit der Erwartung und der Hoffnung auf das erst noch kommende »Fest der Feste«, ist nichts anderes als ein verfrüht gefeiertes Weihnachtsfest – Nativitas präcox sozusagen.
Krankhaft ist das zum Glück nicht, aber scheinbar ansteckend. Dann kann Weihnachten aber bitteschön jetzt auch endlich kommen. Hoffentlich. Oder ist vielleicht schon längst Weihnachten? Dann wäre es wenigsten schon vorbei, das pseudoadventliche Elend.

