Verachtet mir das Lustspiel nicht

Juli 20, 2025
1 min read
Der Regisseur Matthias Davids (Foto: Wakolbinger)

Kommenden Freitag hat die »Meistersinger«-Inszenierung von Matthias Davids Premiere in Bayreuth – hier erklärt er, welche Rolle die Komödie in Zeiten einer verrückten Welt spielen kann.

Der Podcast bei applePodcast und für alle Player

English summary: This year’s Bayreuth Festival opens on July 25 with a new production of Die Meistersinger von Nürnberg, directed by Matthias Davids. He takes a deliberately apolitical approach, focusing on the opera’s comedic spirit and human depth rather than overt political messages.

Die diesjährigen Bayreuther Festspiele werden am 25. Juli mit einer Neuproduktion von Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg eröffnet. Regisseur wird Matthias Davids sein, der eine bewusst entpolitisierte Herangehensweise an das Werk verfolgt.

Davids erklärt im BackstageClassical-Podcast, er habe versucht, »zurück an die Wurzeln des Stückes zu gehen« und zu ergründen, was Wagner eigentlich mit den Meistersingern vermitteln wollte. Sein Ziel ist es, dem unterhaltsamen und komödiantischen Geist der Oper nachzuspüren, den Wagner selbst beabsichtigte, da er die Oper als »Hit« schrieb, um Geld zu verdienen. 

Das menschliche wird politisch

Davids möchte menschliche Vorgänge und Charaktere in den Vordergrund rücken, die in ihrer Tiefgründigkeit – etwa die Lügen, die jeder Charakter mit sich herumträgt – auch ohne expliziten politischen Kommentar politisch wirken können.

Diese Herangehensweise steht im deutlichen Kontrast zu früheren Bayreuther Inszenierungen der Meistersinger: Barry Kosky hatte das Stück in den Verhörsaal der Nürnberger Prozesse verlegt, während Katharina Wagner ein politisches Bild etwa von Hans Sachs zeichnete. 

Davids begründet seine Entscheidung damit, dass die Weltgeschichte aktuell so schrecklich und komplex sei, dass man auf der Bühne nicht dagegen aninszenieren könne. Politik habe heutzutage die Mittel der Bühne für sich entdeckt: Inszenierung, Schein und »alternative Wirklichkeiten«. Eine Antwort darauf sei die Rückkehr zur »inneren Wahrheit menschlicher Vorgänge«. Für Davids ist die Emotionalität des Stücks fast wichtiger als der politische Kommentar.

Oper über die Kunst an sich

Die Meistersinger sind laut Davids auch eine Oper über die Kunst an sich, über Revolution und das Anarchische in der Kunst, sowie die Befreiung von überkommenen Formen. Die zeitlose Botschaft des Werkes sei, dass wir offen sein müssen für Erneuerung, ohne das Alte zu verdammen. Hans Sachs selbst fordere dazu auf, das eigene Tun zu überdenken.

Die Premiere der Meistersinger von Nürnberg findet am 25. Juli statt und kann auch in zahlreichen Kinos verfolgt werden. Bereits am 24. Juli gibt es zudem ein kostenloses Open Air mit dem Bayreuther Festspielorchester unter Pablo Heras-Casado.

Hier geht es zum Podcast mit Katharina Wagner

Transparenzhinweis: Axel Brüggemann moderiert Kiloprogramm und Festspiel-Open-Air. 

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Kollaps der musikalischen Ausbildung in Deutschland

Die neue Studie »MiKADO-Musik« warnt vor einer ernsthaften Krise an Musikschulen in Deutschland und Österreich. Fachleute sprechen von einem drohenden »Kollaps« der musikalischen Bildung, wenn Politik und Träger nicht rasch und koordiniert

Liebes Musikhaus Doblinger,

Du bist es ja eigentlich schon lange nicht mehr, das gute alte Wiener Verlagshaus von 1817! Verlag verkauft! Notengeschäft verscherbelt. Und nun droht auch dem Musikhaus im Ersten Bezirk das Aus: Der

Lieber Florian Lutz,

vielleicht erlauben sie mir unter uns zwei Kneipenbrüdern (war schön damals mit Ihnen nach der Carmen), zu versuchen, Ihnen als Außenstehender mal Ihr Haus zu erklären.   Sie sind Intendant in Kassel.

Liebe Elisabeth Leonskaja,

ich muss noch einmal auf Ihren Auftritt in Moskau zurückkommen. Gerade, weil ich Sie als Künstlerin schätze. Sie haben Anfang des Monats in Russland gespielt, Tickets für Ihr Konzert wurden kostenlos an

Zoff ums Kennedy Center

Ein US-Demokrat wirft den Leiter des Kennedy Center, Richard Grenell, Verfehlungen vor – der weist die Anschuldigungen zurück.

Aber er hat ja gar nichts an! 

Nick Pfefferkorn, Leiter des Verlags Breitkopf & Härtel, hat den Zustand der zeitgenössischen Musik kritisiert. Der folgende Aufschrei zeigt die Fragilität eines Betriebs, der Kritik schnell als Majestätsbeleidigung deutet. Thomas Schmidt-Ott hat

Lieber Thilo Mischke,

gestern Abend habe ich zum Einschlafen den Podcast Hotel Matze mit Ihnen als Gast eingeschaltet. Aber anstatt runter zu kommen, bekam ich Puls. Vergessen wir In 80 Frauen um die Welt und

Plácido Bonnwitschny

Heute mit existenziellen Fragen, ob das Dogma die Kunst tötet, mit Bonner Merkwürdigkeiten und der Frage nach der Legitimation von Radioorchestern.