zugegeben, ich habe gedacht, dass Italien und Europa in wenigen Monaten untergehen, wenn Sie Ministerpräsidentin werden. Aber Sie betreiben seit Ihrem Amtsantritt eine Charmeoffensive: Lächeln mit Trump, diplomatisches Tanzen auf europäischem Parkett und klare Kante für die Ukraine. Sie wirken zugänglich, offen – wie eine erwachsene Schwester der Fratelli d‘Italia. Ihr Italien steht noch.
Aber hinter Ihrer Nonchalance sind sie kompromisslos und brutal. Sie sind eine der wenigen Politikerinnen, die Kultur als Kampfplatz begreifen: Trump legt seiner Frau das Kennedy Center zu Füßen. Für Sie sind Museen und Opernhäuser Arenen, in denen Sie kritische Musikerinnen und Musiker den Klassik-Gladiatoren Ihrer Partei vorwerfen. Egal, ob RAI oder La Fenice: Sie sind eine eiskalte Direktoren-Dompteurin.
In Venedig weichen Sie keine Sechzehntel Note von Ihrer Kumpel-Dirigentin Beatrice Venezi ab. Orchester-Protest wird ignoriert, und Ihr Kulturminister Alessandro Giuli giftet in bester Macho-Manie: »Venezi wird Prinzessin von Venedig und die Orchestermusiker in sie verliebt machen.« Und nun drohte Ihr Staatssekretär für Kultur, Gianmarco Mazzi, eine »künstlerische Überprüfung« aller Opern- und Symphonieorchester an. Das klingt nach noch mehr Kultur-Gleichschaltung.
Liebe Giorgia Meloni, Italien und Europa sind mit Ihnen noch nicht untergegangen. Aber ein Teil der italienischen Kultur ist klanglos verschwunden. Nein, ich traue Ihrem Lächeln nicht.


