es gibt weit und breit keinen deutschen Jimmy Kimmel, keinen Stephen Colbert – und Jan Böhmermann ist auch kein John Oliver. Aber Sie, Harald Schmidt, Sie waren der David Letterman des Deutschen Fernsehens. Ein Andersmacher, der in den 1990er Jahren mit seinen Witzen unsere Grenze des guten Geschmacks verschoben hat.
Geschenkt, dass Sie Ihre Pension auf dem Traumschiff verbringen oder auf Empfängen des Schweizer Rechts-Blattes Weltwoche. Sie waren Organist, aber mussten Sie deshalb auch einer dieser Fernseh-Opern-Opas werden, die ihren verblassenden Ruhm ausgerechnet durch Klassik-Auftritte aufrecht erhalten: Tommy, Eckart, Desireé – und eben Sie?
Hören Sie auf, uns die Musik als Wärmedecke anzudrehen!
Das Fernsehen hat Sie ausgespuckt, weil Sie die Zeit überholt hat. Glauben die Leute, die Sie heute engagieren, dass Sie perfekt in die Klassik passen, weil die Zeit in ihrer Welt auch stehengeblieben ist? Weil Sie selbst ein Klassiker sind? Sie sind ein Opi, der Vergangenheit spielt: Im Weißen Rössl oder in der Dubary an der Wiener Volksoper, in Konzertabenden an der Seite von Klaus Florian Vogt und nun auch in Graz, als Erzähler, der hilflos versucht, Schostakowitsch Operette Moskau, Tscherjomuschki in Zeiten des russischen Angriffskrieges nicht ganz so schlimm aussehen zu lassen.
Ich ertrage das nicht und schaue lieber die alten Folgen der Harald Schmidt-Show auf Youtube – die sind noch immer innovativer, moderner, radikaler und lustiger als ihre Seniorentrips in die Welt der klassischen Musik.
