Seid verschlungen, Millionen

November 21, 2025
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Die neue Beethovenhalle in Bonn (Foto: Stadt Bonn, Zuca)

Kulturbaustellen in Köln und Bonn: Teuer und orientierungslos. Am 16. Dezember soll die Beethovenhalle in Bonn eröffnet werden, dem Theater in Köln drohen die Auswirkungen einer erneuten Haushaltssperre. Ein Situationsbericht von Guido Krawinkel.

English summary: Cologne and Bonn face chaotic, costly cultural projects. Bonn’s Beethovenhalle reopens after an over-budget renovation, now criticised for high fees and restrictive use. Plans for the opera house remain uncertain. In Cologne, the troubled opera renovation may be hit by a new budget freeze, adding to years of delays and spiralling costs.

Damit eins klar ist: Samstags wird der Vorgarten geharkt! Die Küche wird jeden Abend gefegt! Und die gute Stube wird nur in Pantoffeln betreten! Noch Fragen? Jede Menge vermutlich, denn was wie aus der Zeit gefallen anmutet, entspricht jener spießbürgerlichen Bräsigkeit, mit der man in Bonn die kurz vor ihrer Eröffnung stehende Beethovenhalle vermarkten will.

Zur Erinnerung: ein geschenktes Festspielhaus wollte man in der Bundeshauptstadt nicht und entschied sich, nachdem diese Option durch den Absprung der Sponsoren endgültig vom Tisch war, für eine denkmalgerechte Generalsanierung – bis zur letzten Schraube. Die lief allerdings nicht zuletzt aufgrund mangelhafter Vorarbeiten und wiederholtem Streit mit den Architekten völlig aus dem Ruder. Statt wie bei Sanierungsbeginn veranschlagt 61 Millionen, landete man bei sagenhaften 221 Millionen. Ein »teures Trauerspiel« nannte denn auch der Bund der Steuerzahler dieses Desaster, das es mehrmals in das berühmt-berüchtigte Schwarzbuch der Steuerwächter geschafft hat. Erst der als Retter in höchster Not hinzugeholte und krisengestählte Bauingenieur Steffen Göbel schaffte es, das Ruder herumzureißen und die Arbeiten zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

»Teures Trauerspiel«

Und nun ist es tatsächlich soweit: am 16. Dezember wird die Beethovenhalle mit einer Beethovennacht in Präsenz von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeweiht. Das Beethoven Orchester Bonn eröffnet die Halle: mit Beethoven, was auch sonst, und dessen Ouvertüre zu Die Geschöpfe des Prometheus – eine Hommage an den Titanen, Feuerbringer und Schöpfer der Menschen, eine sinnige Wahl. Natürlich gibt es noch mehr Programm: Lokalmatador Fabian Müller spielt Beethovens viertes Klavierkonzert, ein neues, just in time vollendetes Werk von Sara Glojnaric (Everything, Always) verleiht dem geschichtsträchtigen Anlass das nötige zeitgenössische Kolorit und mit Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie hebt man den Abend auf ein metaphysisches Niveau. Denn wer hätte gedacht, dass die hochgradig sanierungsbedürftige Beethovenhalle jemals wie Phoenix aus der Asche wiederauferstehen würde.

Dirk Kaftan dirigiert das Bauerbeiterkonzert in der Beethovenhalle (Foto: Beethovenorchester, Youtube)

So mutet es jedenfalls an, wenn man in der frisch sanierten Halle wandelt. Alles glänzt wie aus dem Ei gepellt, die Decke strahlt wieder originalgetreu in knalligem »Chrysanthemengelb«, das Parkett ist auf Hochglanz poliert und es hat sich noch viel mehr getan. Originalgetreu hat man auch ein 27 Meter breite Sgrafitto von Joseph Fassbender im Foyer restauriert und die originalen akustischen Verhältnisse im Saal wiederhergestellt bzw. mit modernster Technik sogar noch verbessert. Zu diesem Zweck hat man eine ultramoderne Nachhallanlage eingebaut, die etwaige akustische Unzulänglichkeiten auszubügeln vermag. So soll die Beethovenhalle für die Zukunft gerüstet sein und sogar besser als vorher klingen – alles freilich denkmalgerecht und dementsprechend maßkonfektioniert. 

Knatsch um die Vermarktung

Jetzt ist es an der städtischen Betreibergesellschaft BonnCC, die auch das World Conference Center Bonn betreibt, die Halle erfolgreich zu vermarkten. Da gab es dann auch gleich den ersten Knatsch: Zuerst beschwerten sich zahlreiche Vereine, dass die Halle schlichtweg zu teuer für sie geworden sei und dann lehnte die BonnCC auch noch früher alteingesessene Veranstaltungen ab, die nun nicht mehr zur frisch herausgeputzten besten Stube Bonns passen würden. Die aufgerufenen Preise ab 18.000 Euro – inklusive »Brauchtumsrabatt« bei einer Auslastung von 1.400 Besuchern (mit Tischbestuhlung) oder 1.700 (Sitzbestuhlung) – sind in der Tat kein Pappenstiel.

Auch wenn in den letzten Jahren viele Locations ihre Preise erhöhen mussten, sind solche Preise für gemeinnützige Vereine nicht mehr zu stemmen. Hinzu kommt, dass es manche Veranstaltungen nach dem Willen der BonnCC nicht mehr in der als Mehrzweckhalle ausgelegten Beethovenhalle geben soll, Tanzveranstaltungen etwa oder die früher beliebten »After-Work-Parties«. Die einen würden angeblich das Parkett zu sehr abnutzen, die anderen nicht mehr zum Profil der Halle passen. Wie war das doch gleich mit der spießbürgerlichen Bräsigkeit…?

Es regt sich Widerstand

Dagegen regt sich aber Widerstand in Bonn, zumal die BonnCC als Tochter der Stadt auch die Auslastung der Halle im Blick haben muss – vor allem vor dem Hintergrund der exorbitant gestiegenen Kosten für die Generalsanierung. Da gibt es durchaus noch Potential, denn mit dem Beethovenorchester, Revival-Konzerten und Tourneeveranstaltungen ist die ohnehin schon defizitär im Haushalt der Stadt veranschlagte Halle noch lange nicht ausgelastet. Die Frage istschlichtweg, wie lange man sich leisten kann, derart wählerisch zu sein. Einstweilen sieht es so aus, als wäre die »Halle für alle« (GMD Dirk Kaftan) nur eine Halle für ausgewählte Veranstaltungen, das Beethovenfest und das Beethoven Orchester.

Das freilich bespielt die Halle in der nächsten Spielzeit mit fast allen seinen Formaten, angefangen vom Sitzkissenkonzert bis zu verschiedenen Abonnementreihen. Und mit dem zu einem multifunktionalen Raum umgebauten Studio hat man zudem endlich eine adäquate Probenmöglichkeit, die ständiges Wechseln zwischen verschiedenen Orten überflüssig macht. 

Baustelle Opernhaus

Und dann gibt es in Bonn ja noch die andere Kulturbaustelle: das Opernhaus. Das ist im Prinzip ein Sanierungsfall. Bei der Frage ob nun ein Neubau oder eine Sanierung beschlossen werden soll, schlägt das Pendel derzeit eher in Richtung Sanierung aus, doch ob eine solche möglich und dann auch finanzierbar ist wird gerade ausgelotet – nicht zuletzt, um so eklatante Fehler wie bei der Beethovenhalle zu vermeiden. Frühestens zum Ende des 1. Quartals 2026 soll hierzu ein Grundsatzbeschluss gefasst werden. »Die entsprechenden Grundlagen für diesen – sowohl in Bezug auf den baulichen Umfang der notwendigen Maßnahmen und Varianten als auch für die organisatorisch-inhaltliche Struktur – werden aktuell durch die Stabsstelle „Zukunft Bonner Bühnen“ erarbeitet, ausgewertet und zusammengeführt«, so die Stadt.

Oper Klön zur Eröffnung 1957 (Foto: Oper Köln)

Eine Umsetzung der Ratsentscheidung sei ab 2028 vorgesehen. Das fällt mit einer anderen Zäsur in Bonn zusammen, denn zum 31. Juli 2028 geht der seit 2013 amtierende Generalintendant Bernhard Helmich in den Ruhestand. Kontinuität verspricht immerhin, dass Dirk Kaftan der Stadt bis Mitte 2032 als Generalmusikdirektor erhalten bleibt. Sein Vertrag wurde gerade verlängert. Er hat Bonn gut durch schwierige Zeiten geführt und steht für eine anspruchsvolle, aber auch offene, vielfältige undpublikumsnahe Programmpolitik. Kaftan soll nun die Beethovenhalle wieder in den Herzen der Bonner verankern.

Das Kölner Milliardengrab

Das wird in der Nachbarstadt Köln noch eine Menge Arbeit, denn das Milliardengrab Oper – im Übrigen auch mehrfach im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler erwähnt – soll nach etlichen Katastrophen, Verschiebungen und sonstigen Pannen zu Beginn der kommenden Spielzeit endlich in Betrieb genommen werden. Das jedenfalls war der Stand bis Anfang Oktober. Dann kam die Kommunalwahl in NRW und statt der parteilosen, eher CDU-nahen Henriette Reker lenkt nun der SPD-Mann Torsten Burmester die Geschicke der Stadt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Verhängung einer Haushaltssperre. Inwieweit sich das auf die Vollendung der Opernsanierung auswirken könnte, ist noch nicht klar. So hält man es in Köln wohl am besten mit einem Grundsatz aus dem Kölschen Grundgesetz: Et hätt noch immer jotjegange. Viel schlimmer als es ohnehin schon ist, kann es allerdings wohl auch nicht mehr kommen.

Guido Krawinkel

Geboren 1970, Studium der Musikwissenschaften, Französisch, Kommunikations­forschung und Philosophie in Bonn. Parallel erfolgten Praktika und Fortbildungen im journalistischen und kulturpolitischen Bereich, sowie die Ausbildung zum nebenberuflichen Kirchenmusiker (C-Examen). Nach Tätigkeiten in der Tonträgerbranche, im Verlagswesen und beim Rundfunk arbeite ich heute als freier Musikjournalist unter anderem für Nachrichtenagenturen (KNA), Zeitungen (General-Anzeiger Bonn, NMZ), Internetportale (Klassik Heute), Fachzeitschriften (organ, chorzeit, Oper & Tanz, Crescendo) und schreibe Programmhefttexte, u.a. für die Elbphilharmonie, die Bremer Philharmoniker oder die Philharmonie Thüringen Gotha und eine PR-Agentur.

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