Oper Hamburg in der Kritik: Planung ohne Bedarfsprüfung, offene Fragen in Sachen Nachhaltigkeit, Erinnerungskultur und demokratischer Bauplanung.
English summary: Scientists from multiple disciplines urge Hamburg parliament to pause plans for a new Baakenhöft opera. They demand a moratorium, proper needs and feasibility studies, civil involvement, and transparency on funding, sustainability, social impact, and colonial memory concerns before any decision is made.
Hamburg (BC) – Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den Bereichen Architektur, Städtebau, Theaterwissenschaft und Geschichtswissenschaft hat die Hamburgische Bürgerschaft aufgefordert, die Planungen für die neue Oper auf dem Baakenhöft in der HafenCity vorerst zu stoppen. In einer gemeinsamen Erklärung verlangen sie ein Moratorium und die Einsetzung einer Enquete-Kommission, um die »prozedurale Rationalität« der Entscheidungsfindung sicherzustellen.
Die Unterzeichnenden kritisieren, dass bislang zentrale Fragen zur Notwendigkeit eines Opernneubaus und zur Wahl des Standorts nicht ausreichend geprüft worden seien. Statt zunächst das »Ob« eines Neubaus zu klären, werde vor allem das »Wie« des Gewinnerentwurfs des Büros Bjarke Ingels Group diskutiert, heißt es in dem Papier. Der stark von einem privaten Mäzen getragene Stiftungsbau dürfe die Stadt nicht von einer ordnungsgemäßen Bedarfs- und Machbarkeitsprüfung unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und Wissenschaft entbinden.
Nachhaltigkeit und Erinnerungskultur
Als wesentliche Punkte, die in einer vorgelagerten »Phase Null« geklärt werden müssten, nennen die Wissenschaftler eine Bedarfsanalyse angesichts langfristig rückläufiger Opernbesuche, die technischen Anforderungen an zeitgenössisches Musiktheater, Fragen der Nachhaltigkeit sowie stadtentwicklungspolitische Aspekte. So verweisen sie auf den hohen CO2-Fußabdruck eines Neubaus, die weiterlaufende Verantwortung der Stadt für das denkmalgeschützte Opernhaus an der Dammtorstraße und die Gefahr einer weiteren sozialen Aufwertung der HafenCity zulasten anderer Nutzungen wie sozialem Wohnungsbau.
Besondere Bedeutung messen die Autorinnen und Autoren den erinnerungspolitischen Dimensionen des Projekts bei. Der Baakenhafen sei ein historischer Täterort im Zusammenhang mit dem deutschen Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama in Namibia; vor einer Bebauung mit einem Opernhaus müsse eine angemessene Gedenkstätte konzipiert werden, um eine Überlagerung der Geschichte zu vermeiden. Zudem verweisen sie auf den Vorwurf einer unzureichenden Aufarbeitung der Rolle des Unternehmens des Stifters im »Dritten Reich« und fordern, dass die Stadt nur dann Gelder annehmen solle, wenn Herkunft des Vermögens und historische Verantwortung transparent geklärt seien.
Wissenschaftliche Erkenntnisse
Die Erstunterzeichnenden, darunter die frühere Direktorin des Museums für Hamburgische Geschichte, Lisa Kosok, der Architekturhistoriker Frank Schmitz und der Globalhistoriker Jürgen Zimmerer, sehen Hamburg angesichts zahlreicher anstehender Theaterbauten in Deutschland in einer besonderen Vorbildrolle. Die Freie und Hansestadt solle zeigen, wie eine zukunftsorientierte, demokratisch legitimierte Bauplanung für zentrale Kulturorte aussehen könne. Entscheidungen über die neue Hafenoper dürften daher erst fallen, wenn alle relevanten Argumente gehört und wissenschaftliche Erkenntnisse systematisch einbezogen worden seien.

