Italiens Kulturministerium gegen Gergiev-Konzert

Juli 15, 2025
2 mins read
Valery Gergiev (Foto: LSO, Venzago)

Der Streit um das geplante Konzert von Valery Gergiev in Italien eskaliert weiter. Der Druck auf die Veranstalter steigt.

English summary: The planned concert of Russian conductor Valery Gergiev in Italy has sparked growing controversy. Critics, including Italy’s culture minister and EU politicians, warn it sends the wrong signal amid Russia’s war on Ukraine. They fear the event may serve as Kremlin propaganda and demand its cancellation.

Rom (BC) – Das italienische Kulturministerium positioniert sich kritisch zum Konzert von Valery Gergiev in Italien. Italiens Kulturminister Alessandro Giuli warnte, das Konzert sende »das falsche Signal«, betonte aber auch, dass Kunst nicht zensiert werden dürfe. Er sieht durch die Veranstaltung das Risiko einer Propagandaaktion für das russische Regime. Die endgültige Entscheidung, ob das Konzert am 27. Juli stattfinden wird, liegt beim Veranstalter und dem Präsidenten der Region Campania. Bislang ließen die Festivalvertreter verlauten, dass das Konzert wie geplant durchgeführt werden solle, und der Präsident der Region Campania, Vincenzo De Luca, rechtfertigte die Einladung Gergievs als Beitrag zu einem offenen, kulturellen Dialog. Aus seiner Sicht sollten Künstler nicht für die Politik ihres Heimatlandes verantwortlich gemacht werden. Doch der Druck steigt.

Druck aus der EU

Die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Pina Picierno äußerte Erneut scharfe Kritik an dem geplanten Konzert. In einem öffentlichen Appell forderte sie die sofortige Absage der Aufführung am 27. Juli, da sie gegen den ethischen Kodex der Reggia di Caserta verstoße, einem zum UNESCO-Welterbe gehörenden Schloss. »Die Einladung von Persönlichkeiten, die die Prinzipien der UN-Agenda 2030 missachten, ist nicht vereinbar«, so Picierno. Der Kodex untersage ausdrücklich Gewalt, Folter, Waffen- und Geldwäsche sowie das Fehlen eines gerechten Zugangs zur Justiz. »Werte, die Gergiev und das Regime, das er unterstützt, offensichtlich nicht teilen«, betonte Picierno weiter.

Auf BackstageClassical-Anfrage hatten sich auch deutsche EU-Politiker gegen einen Auftritt Gergievs positioniert. Unter ihnen Erik Marquardt (GRÜNE), Sabrina Repp (SPD) und die Erste Vizepräsidentin des EU-Parlaments Sabine Verheyen (CDU). Letztere erklärte: »Die Nachricht, dass Valery Gergiev, ein bekennender Unterstützer von Wladimir Putin, am 27. Juli 2025 im Rahmen des Festivals Un’Estate da RE in Italien auftreten soll, erfüllt mich mit großem Unverständnis. (…) Die Europäische Union steht in aller Deutlichkeit an der Seite der Ukraine. Daher darf es solche Grauzonen nicht geben – erst recht nicht, wenn es um den Einsatz europäischer Steuergelder geht.

Kunst lebt von Freiheit, Menschenwürde und Verantwortung – Werte, die dem autoritären System, dem Gergiev nahesteht, fundamental widersprechen. Umso schwerwiegender ist es, wenn öffentliche Gelder, ob unmittelbar oder mittelbar, dazu beitragen, einer solchen Figur eine Bühne zu bieten. Ich fordere die zuständigen Veranstalter und Behörden, einschießlich der Kommission als Hüterin der Kohäsionsmittel, dass sie ihrer politischen und moralischen Verantwortung gerecht werden. Gergiev darf innerhalb der EU keine Bühne geboten werden.« Verheyen und Marquardt haben mit Anfragen an die Kommission zusätzlich den Druck auf Italien erhöht.   

Besondere Brisanz erhält der Fall vor dem Hintergrund der Zerstörung ukrainischer Kulturgüter durch russische Angriffe. Picierno wies darauf hin, dass es paradox sei, Gergiev als Befürworter des Kreml ein Podium auf einer UNESCO-Stätte zu bieten, während andere Welterbestätten wie die Sophienkathedrale in Kiew oder das historische Zentrum von Odessa immer wieder zu Zielscheiben der Zerstörung würden.

BackstageClassical

BackstageClassical bringt Ihnen Debatten und Nachrichten aus der klassischen Musik. Die Seite ist kostenfrei. Bestellen Sie unseren Newsletter oder unterstützen Sie unseren unabhängigen Musikjournalismus durch Ihre Spende.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Kollaps der musikalischen Ausbildung in Deutschland

Die neue Studie »MiKADO-Musik« warnt vor einer ernsthaften Krise an Musikschulen in Deutschland und Österreich. Fachleute sprechen von einem drohenden »Kollaps« der musikalischen Bildung, wenn Politik und Träger nicht rasch und koordiniert

Liebes Musikhaus Doblinger,

Du bist es ja eigentlich schon lange nicht mehr, das gute alte Wiener Verlagshaus von 1817! Verlag verkauft! Notengeschäft verscherbelt. Und nun droht auch dem Musikhaus im Ersten Bezirk das Aus: Der

Lieber Florian Lutz,

vielleicht erlauben sie mir unter uns zwei Kneipenbrüdern (war schön damals mit Ihnen nach der Carmen), zu versuchen, Ihnen als Außenstehender mal Ihr Haus zu erklären.   Sie sind Intendant in Kassel.

Liebe Elisabeth Leonskaja,

ich muss noch einmal auf Ihren Auftritt in Moskau zurückkommen. Gerade, weil ich Sie als Künstlerin schätze. Sie haben Anfang des Monats in Russland gespielt, Tickets für Ihr Konzert wurden kostenlos an

Zoff ums Kennedy Center

Ein US-Demokrat wirft den Leiter des Kennedy Center, Richard Grenell, Verfehlungen vor – der weist die Anschuldigungen zurück.

Aber er hat ja gar nichts an! 

Nick Pfefferkorn, Leiter des Verlags Breitkopf & Härtel, hat den Zustand der zeitgenössischen Musik kritisiert. Der folgende Aufschrei zeigt die Fragilität eines Betriebs, der Kritik schnell als Majestätsbeleidigung deutet. Thomas Schmidt-Ott hat

Lieber Thilo Mischke,

gestern Abend habe ich zum Einschlafen den Podcast Hotel Matze mit Ihnen als Gast eingeschaltet. Aber anstatt runter zu kommen, bekam ich Puls. Vergessen wir In 80 Frauen um die Welt und

Plácido Bonnwitschny

Heute mit existenziellen Fragen, ob das Dogma die Kunst tötet, mit Bonner Merkwürdigkeiten und der Frage nach der Legitimation von Radioorchestern.   

Verpassen Sie nicht ...